Architekturstudent, 21

Die Balance von Wunsch und Verantwortung
Eines der wichtigsten Elemente auf der Welt ist aus meiner Sicht Harmonie, Ausgeglichenheit. Viele Probleme entstehen aus einseitiger Wahrnehmung oder Nichtberücksichtigung der Gegenpole.

Wir brauchen die Orientierung an einer Art Ordnung, aber nicht in einem zwanghaften Verständnis, sondern „wie ein alter Wald“, dynamisch und gewachsen.

Stuttgart ist noch stark geprägt von dem alten Ideal der autogerechten Stadt, und die Belastungen durch den Straßenverkehr erzwingen dann die Abschottung der Häuser.

Wie gestaltet die junge Generation die Welt? Ich sehe da wenig Orientierung, was weentlich an der Kommunikation liegt. Die sozialen Medien schaffen Scheinverbindungen mit starker Oberflächigkeit und einem hohen Wechseltempo der Ästhetik, die keine Verarbeitung der Informationen mehr ermöglichen. Die technischen Rahmenbedingungen mit ihrer 200-Zeichen-Begrenzung tragen die Verflachung der Inhalte.

Damit geht für den Einzelnen ein Teil seiner Bedeutung verloren; als ziemlich hilflose Gegenwehr entwickelt sich dann eine Bewegung wie Cancel Culture und die damit verbundene Wut. Wenn man genau hinschaut, wird genau das exerziert, was bekämpft werden soll.

Wir müssen uns damit auseinandersetzen, was unser eigener Beitrag zum Konsumismus des schnellen Lebens ist. Wir brauchen ein neues Denken, das eine Balance der Wünsche und Ziele mit dem Gemeinwohl einschließt, oder unsere persönliche Entfaltung in allen Bereichen mit der Verantwortung, die sich daraus ergibt. Wir denken viel zu wenig in Zusammenhängen.

Ich sehe hier gegenüber ein altes Haus, das gut als Beispiel dienen kann. Unten befinden sich einige kleinere Geschäfte; darüber liegen Wohnungen. Diese Struktur „öffnet“ gleichzeitig die Wohnungen zum Leben auf der Straße, das durch die Geschäfte erzeugt wird. Leben in der Stadt erfordert die Grundbedingungen für diese Offenheit. Die weitgehende Willfährigkeit gegenüber Investoren kann keine ‚gute‘ Stadt erzeugen.